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    Barackenweg am Rappenwald in Feldkirch Tisis, 2022
    Dietmar Walser, Hohenems

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    Hilda Monte (Hilde Meisel), um 1940
    Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung

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    Rappenwald in Feldkirch Tisis, 2022
    Dietmar Walser, Hohenems

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    Zollamt Feldkirch Tisis, 2021
    Dietmar Walser, Hohenems

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    Eingang zur Flüchtlings- und Migrantenhilfe der Caritas am Gebäude des Zollamts Feldkirch Tisis, 2021
    Dietmar Walser, Hohenems

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    Bericht der Kriminalpolizei Feldkirch an den Bürgermeister zum Tod von Hilda Monte, 17. April 1945
    Jüdisches Museum Hohenems

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    Grab von Hilda Monte am Evangelischen Friedhof Feldkirch, 2021
    Dietmar Walser, Hohenems



37    Hilda Monte> 17. April 1945


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37 Hilda Monte

„Die Einheit Europas“ Wenige Tage vor dem Ende des Krieges stirbt die Widerstandskämpferin Hilda Monte am Grenzübergang Tisis
Feldkirch, 17. April 1945

Am 18. April 1945 meldet die Kriminalpolizeistelle Innsbruck, Außenposten Feldkirch, dem Bürgermeister der Kreisstadt Feldkirch:

„Betrifft: Schneider, Eva, Kontoristin, geb. 30.6.1913 in Bromberg, zuletzt Berlin, Helmstetterstr. 24. Tod durch Waffengebrauch am 17.4.1945.

Bezug: Ohne.

Die Obenbezeichnete wurde am 17.4.45 gegen 6.30 durch Organe des Zollgrenzschutzes der Gast Tisis, nachdem sie bereits vorher um 3.45h im Rappenwald/Tisis angehalten worden war, wegen versuchten Grenzübertritt – als sie die Flucht ergriff und in der Richtung zur Reichsgrenze zu entkommen versuchte durch einen Schuss in den rechten Oberschenkel so schwer verletzt, so dass sie bald darauf an innerer Verblutung starb. Die Leiche wurde in die Liebfrauenkirche Feldkirch verschafft, dort durch den Amtsarzt Dr. Müller und nachher durch den Stadtarzt Dr. Pontesegger untersucht und nach Klarlegung des Sachverhaltes von der Staatsanwaltschaft Feldkirch zur Beerdigung freigegeben. In ihrem Besitze wurde ein grösserer Geldbetrag vorgefunden, von dem die Kosten der Leichenbestattung bestritten werden können. Das Standesamt Feldkirch hat die Todesanzeige durch hier erhalten.“[1]

Eva Schneider, die Frau, die beim Versuch über die Grenze zu fliehen erschossen wurde, war in Wirklichkeit die sozialistische Widerstandskämpferin Hilde Meisel-Olday. Als Autorin von Gedichten, Novellen, vor allem aber politischen Essays, Radiosendungen und programmatischen Büchern zeichnete sie mit dem Namen Hilda Monte.
1914 wurde sie in Wien in eine jüdische Familie geboren – doch schon 1915 zogen ihre Eltern mit ihr und ihrer älteren Schwestern Margot nach Berlin, wo der Vater ein Import-Export Geschäft eröffnete. Schon als Jugendliche schloss sie sich dem Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK) an. 1929 reiste sie zum ersten Mal nach England zu ihrem Onkel, dem erfolgreichen Komponisten Edmund Meisel, dessen Filmmusiken bis heute legendär sind. 1932 ging sie nach Paris. Regelmäßig veröffentlichte sie Analysen der politischen und wirtschaftlichen Situation in England, Frankreich und Deutschland, Spanien und den Kolonien. Die Jahre 1933 und 1934 erlebte sie im Deutschen Reich, bevor sie 1934 wieder nach Paris und 1936 nach London emigrierte. Mehrere Male reiste sie auch danach illegal ins Deutsche Reich und half dabei, Aktionen des Arbeiterwiderstands zu organisieren. 1938 ging sie, um ihre Ausweisung aus England zu verhindern, eine Scheinehe mit dem deutsch-britischen Karikaturisten John Olday ein und wurde dadurch britische Staatsbürgerin.
Auch während des Krieges blieb sie an den unterschiedlichsten Widerstandsaktivitäten beteiligt, sei es als Kurierin der Internationalen Transportarbeiter-Föderation, oder im Auftrag alliierter Geheimdienste. 1940 erschien ihr gemeinsam mit Fritz Eberhard verfasstes Buch „How to conquer Hitler“. Sie war am Aufbau des Radiosenders „der europäischen Revolution“ beteiligt, und arbeitete regelmäßig für die deutschen Arbeiter-Sendungen der BBC. 1942 berichtete sie im Radio erschüttert über die begonnene Massenvernichtung der Juden im besetzten Polen. 1943 erschien ihr Buch „The Unity of Europe“ (Die Einheit Europas) und 1944 ging sie im Auftrag des amerikanischen Geheimdienstes OSS und österreichischer Sozialisten ins besetzte Frankreich, dann in die Schweiz und im April 1945 erneut illegal über die Grenze, um Kontakt mit Sozialisten in Vorarlberg herzustellen.
Kaum mehr als zwei Wochen bevor französische Truppen Feldkirch erreichen und der Krieg im Vorarlberger Rheintal zu Ende ist, endet ihr Leben gewaltsam an der Grenze bei Tisis. Am frühen Morgen des 17. April 1945 wird sie im Rappenwald an der Grenze zu Liechtenstein aufgegriffen.
Zwei Stunden wird sie im Zollamt festgehalten, da versucht sie in den frühen Morgenstunden zu fliehen. Dann fällt der tödliche Schuss. Man hält die Tote für eine Protestantin und beerdigt sie auf dem evangelischen Friedhof.

Nach der Befreiung erreicht die Nachricht von ihrem Tod ihre Freunde in der Schweiz und in England – und ihre Familie in Palästina und in Ägypten. Österreichische Sozialisten setzen auf ihr Grab am evangelischen Friedhof den Stein mit der Inschrift: „Hier ruht unsere unvergessliche Genossin Hilde Monte-Olday. Geb. 31.7.1914 in Wien. Gest. 17.4.1945 in Feldkirch. Sie lebte und starb im Dienste der sozialistischen Idee“.


[1] Meldung der Kriminalpolizeistelle Innsbruck, 17.4.1945, Archiv JMH.



"I can only define myself as a European, but I guess that we have not reached the stage where that is permissble." Brief von Hilda Monte an das International Socialist Forum, 30. Mai 1943
Archiv Andreas Wilkens, Paris


Liechtensteiner Grenze bei Mauren, 1945
Liechtensteiner Landesarchiv, Vaduz


Meldung der Kriminalpolizeistelle Innsbruck, 17. April 1945
Archiv Jüdisches Museum Hohenems

37 Hilda Monte

„Die Einheit Europas“ Wenige Tage vor dem Ende des Krieges stirbt die Widerstandskämpferin Hilda Monte am Grenzübergang Tisis
Feldkirch, 17. April 1945

Am 18. April 1945 meldet die Kriminalpolizeistelle Innsbruck, Außenposten Feldkirch, dem Bürgermeister der Kreisstadt Feldkirch:

„Betrifft: Schneider, Eva, Kontoristin, geb. 30.6.1913 in Bromberg, zuletzt Berlin, Helmstetterstr. 24. Tod durch Waffengebrauch am 17.4.1945.

Bezug: Ohne.

Die Obenbezeichnete wurde am 17.4.45 gegen 6.30 durch Organe des Zollgrenzschutzes der Gast Tisis, nachdem sie bereits vorher um 3.45h im Rappenwald/Tisis angehalten worden war, wegen versuchten Grenzübertritt – als sie die Flucht ergriff und in der Richtung zur Reichsgrenze zu entkommen versuchte durch einen Schuss in den rechten Oberschenkel so schwer verletzt, so dass sie bald darauf an innerer Verblutung starb. Die Leiche wurde in die Liebfrauenkirche Feldkirch verschafft, dort durch den Amtsarzt Dr. Müller und nachher durch den Stadtarzt Dr. Pontesegger untersucht und nach Klarlegung des Sachverhaltes von der Staatsanwaltschaft Feldkirch zur Beerdigung freigegeben. In ihrem Besitze wurde ein grösserer Geldbetrag vorgefunden, von dem die Kosten der Leichenbestattung bestritten werden können. Das Standesamt Feldkirch hat die Todesanzeige durch hier erhalten.“[1]

Eva Schneider, die Frau, die beim Versuch über die Grenze zu fliehen erschossen wurde, war in Wirklichkeit die sozialistische Widerstandskämpferin Hilde Meisel-Olday. Als Autorin von Gedichten, Novellen, vor allem aber politischen Essays, Radiosendungen und programmatischen Büchern zeichnete sie mit dem Namen Hilda Monte.
1914 wurde sie in Wien in eine jüdische Familie geboren – doch schon 1915 zogen ihre Eltern mit ihr und ihrer älteren Schwestern Margot nach Berlin, wo der Vater ein Import-Export Geschäft eröffnete. Schon als Jugendliche schloss sie sich dem Internationalen Sozialistischen Kampfbund (ISK) an. 1929 reiste sie zum ersten Mal nach England zu ihrem Onkel, dem erfolgreichen Komponisten Edmund Meisel, dessen Filmmusiken bis heute legendär sind. 1932 ging sie nach Paris. Regelmäßig veröffentlichte sie Analysen der politischen und wirtschaftlichen Situation in England, Frankreich und Deutschland, Spanien und den Kolonien. Die Jahre 1933 und 1934 erlebte sie im Deutschen Reich, bevor sie 1934 wieder nach Paris und 1936 nach London emigrierte. Mehrere Male reiste sie auch danach illegal ins Deutsche Reich und half dabei, Aktionen des Arbeiterwiderstands zu organisieren. 1938 ging sie, um ihre Ausweisung aus England zu verhindern, eine Scheinehe mit dem deutsch-britischen Karikaturisten John Olday ein und wurde dadurch britische Staatsbürgerin.
Auch während des Krieges blieb sie an den unterschiedlichsten Widerstandsaktivitäten beteiligt, sei es als Kurierin der Internationalen Transportarbeiter-Föderation, oder im Auftrag alliierter Geheimdienste. 1940 erschien ihr gemeinsam mit Fritz Eberhard verfasstes Buch „How to conquer Hitler“. Sie war am Aufbau des Radiosenders „der europäischen Revolution“ beteiligt, und arbeitete regelmäßig für die deutschen Arbeiter-Sendungen der BBC. 1942 berichtete sie im Radio erschüttert über die begonnene Massenvernichtung der Juden im besetzten Polen. 1943 erschien ihr Buch „The Unity of Europe“ (Die Einheit Europas) und 1944 ging sie im Auftrag des amerikanischen Geheimdienstes OSS und österreichischer Sozialisten ins besetzte Frankreich, dann in die Schweiz und im April 1945 erneut illegal über die Grenze, um Kontakt mit Sozialisten in Vorarlberg herzustellen.
Kaum mehr als zwei Wochen bevor französische Truppen Feldkirch erreichen und der Krieg im Vorarlberger Rheintal zu Ende ist, endet ihr Leben gewaltsam an der Grenze bei Tisis. Am frühen Morgen des 17. April 1945 wird sie im Rappenwald an der Grenze zu Liechtenstein aufgegriffen.
Zwei Stunden wird sie im Zollamt festgehalten, da versucht sie in den frühen Morgenstunden zu fliehen. Dann fällt der tödliche Schuss. Man hält die Tote für eine Protestantin und beerdigt sie auf dem evangelischen Friedhof.

Nach der Befreiung erreicht die Nachricht von ihrem Tod ihre Freunde in der Schweiz und in England – und ihre Familie in Palästina und in Ägypten. Österreichische Sozialisten setzen auf ihr Grab am evangelischen Friedhof den Stein mit der Inschrift: „Hier ruht unsere unvergessliche Genossin Hilde Monte-Olday. Geb. 31.7.1914 in Wien. Gest. 17.4.1945 in Feldkirch. Sie lebte und starb im Dienste der sozialistischen Idee“.


[1] Meldung der Kriminalpolizeistelle Innsbruck, 17.4.1945, Archiv JMH.



"I can only define myself as a European, but I guess that we have not reached the stage where that is permissble." Brief von Hilda Monte an das International Socialist Forum, 30. Mai 1943
Archiv Andreas Wilkens, Paris


Liechtensteiner Grenze bei Mauren, 1945
Liechtensteiner Landesarchiv, Vaduz


Meldung der Kriminalpolizeistelle Innsbruck, 17. April 1945
Archiv Jüdisches Museum Hohenems

Kurzbiografien der genannten Personen

Hilda Monte geboren als Hilde Frieda Meisel 31.7.1914 in Wien, gestorben 17.4.1945 in Feldkirch. Die sozialistische Schriftstellerin und Journalistin wurde in eine bürgerliche jüdische Familie hineingeboren und engagierte sich schon als Jugendliche im Internationalen Sozialistischen Kampfbund ISK, für dessen Zeitung Der Funke sie regelmäßig schrieb. 1934 emigrierte sie nach Paris, dann nach England, wo sie eine Scheinehe mit dem deutsch-britischen Karikaturisten John Olday einging. Neben Widerstandsmissionen in Deutschland, Frankreich und Portugal, verfasste sie antifaschistische Bücher (zuletzt 1943 The Unity of Europe) und zahlreiche Radiosendungen u.a. für den BBC. Von Zürich aus, wo sie zuletzt arbeitete, unternahm sie im April 1945 eine Widerstandsmission in Vorarlberg. Beim Versuch über den Grenzübergang Tisis wieder zurück in die Schweiz zu gelangen, wurde sie erschossen.